Veröffentlicht am 15.09.2024
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.06.2024, (I ZR 98/23)
Unternehmen nutzen für die Bewerbung ihrer Produkte oder Dienstleistungen häufig umweltbezogene Begriffe. Nachdem die Wettbewerbszentrale 2021 mehrere Musterverfahren gegen verschiedene Unternehmen angestrengt hatte, hat sich nun erstmals der Bundesgerichtshof mit der Zulässigkeit der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ beschäftig und entschieden: Wer mit einem mehrdeutigen Begriff wie „klimaneutral“ wirbt, muss bereits in der Werbung erläutern, was darunter zu verstehen ist.
Was war geschehen?
Der Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes hatte in einem Fachblatt für Lebensmittel damit geworben, dass das Unternehmen seit 2021 alle Produkte klimaneutral produziere. Dies unterstützte das Unternehmen mittels eines Logos mit dem Begriff „klimaneutral“ und einem Verweis (mittels QR-Code) auf die Internetseite. Tatsächlich jedoch ist die Herstellung der Katjes-Süßigkeiten nicht emissionsfrei. Das Unternehmen unterstützt lediglich Klimaschutzprojekte und kompensiert damit Emissionen. Dies befand die Frankfurter Wettbewerbszentrale als irreführende Werbung. Bei einer solchen Aussage würden dem Verbraucher wichtige Informationen über die Art und Weise der Herstellung der Klimaneutralität vorenthalten werden.
Wie hat das Gericht entschieden?
Die Klage der Frankfurter Wettbewerbszentrale war vor dem Landgericht Kleve sowie vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zunächst erfolglos. Dem Verbraucher sei bekannt, dass Klimaneutralität auch durch den Ausgleich der CO2-Bilanz möglich ist. Weiterhin sei es dem Verbraucher zumutbar, die verlinkte Website aufzusuchen, auf der ausreichend darüber informiert wird wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht wird.
Nach einer Revision der Wettbewerbszentrale beurteilte der BGH die Werbung anders als die Vorinstanzen als irreführend und verurteilte Katjes zur Unterlassung. Die Mehrdeutigkeit des Begriffes „klimaneutral“ liege darin, dass die Leser des Fachblatts den Begriff der Klimaneutralität sowohl als CO2-Reduktion als auch als CO2-Kompensation verstehen können. Entscheidend war für das Gericht, dass Reduktion von Emissionen gegenüber Kompensation nicht gleichwertig, sondern die Reduktion unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig sei.
Ein falsches Verständnis über den Begriff der Klimaneutralität im konkreten Fall sei nicht fernliegend, da das Unternehmen ausdrücklich die Produktion ihrer Süßigkeiten damit beworben habe. Zur Vermeidung einer Irreführung hat eine klare und eindeutige Erläuterung des umweltbezogenen Begriffs in der Werbung selbst stattzufinden. Nur dadurch können die bei umweltbezogener Werbung geltenden strengen Anforderungen erfüllt werden.
Unser Fazit:
Für Umweltaussagen in der Werbung gelten weiterhin strenge Maßstäbe. Aufgrund der hohen Irreführungsgefahr besteht bei umweltbezogener Werbung ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis. Bei auslegebedürftigen Begriffen wie „klimaneutral“ muss eine Aufklärung daher bereits in der Werbung selbst erfolgen. Lediglich ein Verweis auf eine Webseite mit weiteren Informationen reich nach Ansicht des BGH nicht aus. Damit wird es für Unternehmen schwieriger, Green Claims wie zum Beispiel „klimaneutral“, „CO2-neutral“, „klimafair“, oder „umweltfreundlich“ zu nutzen, ohne eine Irreführung zu begehen. Insbesondere mit Hinblick auf die zukünftige Green Claims Richtlinie sollten Unternehmen sicherstellen, wie sie die Art und Weise der Herstellung der Klimaneutralität rechtssicher kommunizieren können.